Presse und Medien
HELNWEIN,Orac Pietsch – 30. November 1980
MONOGRAPH
Crying for the Moon
Crying for the moon... immer hast du ihn haben wollen. Zuerst einfach so, als blanke Münze, konvertierbar in deine samtfarbenen Zwangssehnsüchte, als Kleingeld für die Überfahrt in die von den Emigranten der Nacht gelobten Länder, als leuchtender Kiesel - Wegweiser durch die Styxe des Amüsiergewerbes.
Den Mond wolltest du, weil du die Erde nicht in den Arm nehmen konntest, den Mond, weil sein Licht dir den Blick in die Höhe trieb, der der Sonne nur blinzelnd entgegenzwinkerte, den Mond, der für die meisten ein Gefühl ist, mit dem keiner weltmäßig leben kann.
Mondsüchtig wie Pierrot und doch den Gaffern zugewandt, deren Sympathie sich an deiner trauernden Weiße bricht. Der rote Punkt an deiner Nase ist das Stoppzeichen für all die Aberwitze, die dein Gegenspieler August dir ums Maul streicht. Natürlich bist du prächtig gekleidet und du weißt, was du deiner entrückten Seinsweise an lasziver Grandezza schuldig bist, um nicht nur ins Auge zu fallen, sondern darin zu bleiben, als zur Eisblume verwandelter Splitter, der Stachel der Sehnsucht nach einer Welt, aus der du zu uns kommen scheinst, die du aber nicht verkörperst.
Du wolltest den Mond in der dir gemäßen Verkleinerung, den Magiermond, den Dichtermond, die Nachtlampe träumender Schäfer, den unheimlich heimlichen Mond nächtlicher Sternfahrer, den Mond, der in den Fenstern der Züge mitfährt, den goldenen, silbrig glänzenden, diamantfarbenen, den Sichelmond des Weltallschnitters, in Anklängen manchmal sogar Frau Luna, aber hauptsächlich den Mond, diesen bleichen Zehrpfennig aller nachtfahrenden Traumhelden.
Und nun hast du ihn - Schrecken aller Wunscherfüllung! - handlich, im Hauskostüm und gemütlich, mit Zigarre. Er lächelt dich an. Dich aber befällt ein Lachen, das dich beinahe aus deiner Haut schüttelt, ein Lachen wie ein Weinkrampf, dem du nichts entgegenzusetzen weißt als deine blanken, ein wenig verkürzten Zähne.
Das also ist der Mond... und die Lachfalten in deinem Gesicht sind die Runzeln des beginnenden Verderbens: was sollst du dir von nun an wünschen? Denn zwei der drei Wünsche hast du noch offen, und angesichts dieser Unfasslichkeit bittest du deine Fee, all ihre Versprechungen rückgängig zu machen.
Das also ist der Mond, lachst du. Und es hilft gar nichts, ihn wieder gen Himmel zu werfen. Dein privater Umgang mit ihm hat ihn als Gestirn ein für allemal untragbar gemacht.
Für Gottfried Helnwein und
seinen überlisteten weißen Clown
Mond, 1981