Texte und Essays
NEWS Magazin, Wien – 30. November 1998
"Apokalypse" Installation, Krems, 1999
REBELL UND SOCIETY-STAR
Gottfried Helnwein stellt nach 10 Jahren wieder in Österreich aus. Ab 13.6., Dominikanerkirche Krems.
Er ist eine Art Allegorie der Umstrittenheit.
Er ist eine Art Allegorie der Umstrittenheit. Die Bewunderer des österreichischen Malers und Fotokünstlers Gottfried Helnwein, 50, finden sich meist außerhalb der künstlerischen Insider-Zirkel: Michael Jackson, Arnold Schwarzenegger, Mick Jagger und Tenor-Superstar Neil Shicoff ließen sich von ihm porträtieren. "Times" und "Stern" orderten seine Gemälde als Cover. Sein Jugendfreund Manfred Deix, stolzer Verächter aller pragmatisierten Avantgarde, kniet vor ihm. Seine Arbeiten sind in St. Petersburg, San Francisco und Los Angeles das, was man gefragt nennt.
Aus Österreich hat sich der Sohn eines Wiener Postbeamten 1985 ins deutsche Burgbrohl empfohlen.10 Jahre spaeter wanderte er samt Familie (Ehefrau Renate, vier Kinder) nach Irland aus. Dort bewohnt er (wir haben exklusiv berichtet) ein Schloß.
Kremser Apokalypse.
Nun ist er, nach langem, wieder in der ganz alten Heimat zu sehen, und zwar mit der finsteren Seite seines Oeuvres, geläufig seit den Anfängen, als ihm seine fotorealistischen Porträts Mißhandelter und Gefolterter das Prädikat "Schockmaler" einbrachten. Das Donaufestival zeigt unter dem Titel "Apokalypse" in der ehemaligen Kremser Dominikanerkirche 63 Gemälde, Fotografien und Großbildinstallationen - einige im Monumentalformat sieben mal zehn Meter - aus den vergangenen dreizehn Schaffensjahren. Der Versicherungswert liegt bei 20 Millionen. Die teuersten Exponate, "Feuermensch" und "Eismensch", bringen es auf je 700.000 Schilling. Im Schnitt muß man mit 420.000 Schilling pro Bild kalkulieren.
Helnwein "Apokalypse" Installation, 1999
www.helnwein.org/werke/leinwand/group1/image.html
Strammen Radau schlug die Witwe eines SS-Offiziers. Die Dame will zu Gericht, fand sie den Verwichenen doch auf einem Helnwein-Exponat bei der Führer-Huldigung ("Die Anbetung der Könige", ein ins Monumentalformat vergrößertes Originalfoto, hängt im Museum of Modern Art in San Francisco).
Helnwein, "Epiphanie I - Die Anbetung der Könige"
www.helnwein.org/werke/leinwand/group7/image293.html
Folter mit Klebeband.
Zum Fürchten aktuell ist der vierteilige Zyklus "Rammstein". Schon 1997 hatte Helnwein die Köpfe der germanischen Brachial Band gequetscht und mit Klebebändern deformiert abgelichtet. Für Krems hat er sie nun malerisch ausgearbeitet. Helnwein, dessen Klebeband-Apokalypse im Fall Omofuma innenpolitische Realität wurde: "Interessant, daß immer nur Schwarze völlig zugeklebt und wie Pakete verschnürt, erstickt oder mit gebrochenem Genick ankommen. Ich habe nie gehört, daß Weiße ersticken. Eigentlich müßte man sich nur an die Grundgesetze halten. Aber diese werden beliebig gebrochen, und die verantwortlichen Politiker rechtfertigen sich nachher perfekt. Ich halte auch den Rücktritt Schlögls für sinnlos. Im Gegenteil: Der würde nur vortäuschen, daß etwas gelöst ist."
Helnwein, "Rammstein"
www.helnwein.org/werke/photo/group19/image.html
"Österreich wäre mir zu eng."
Aus Österreich ging er 1985, als man ihn aus der Professur an der Akademie der Bildenden Kuenste drängte. "Heute bin ich froh darüber. Wenn ich mir Künstler anschaue, die Professoren wurden, dann sehe ich, daß gesellschaftliche Anerkennung, Ämter und Posten den Tod, das Ende der Kunst bedeuten.
Auch wäre es mir viel zu eng, hier zu leben. Jede Art von Begrenztheit verblödet.
Ich bin froh, daß man mich so behandelt hat, weil es mich daran hinderte, feist und angepaßt zu werden. So bleibe ich frei und in Bewegung."
So huldigt er mit Begeisterung einem anderen Unangepaßten, der in diesen Tagen einiges aus zustehen hat: "Mir gefällt alles, was ich von Peter Handke höre. Früher wurde er von allen als Heiliger betrachtet. Jetzt nimmt er sich den Luxus heraus, eine eigene Meinung zu haben und nicht alles nachzureden, was CNN vorplappert, und schlagartig ist er geächtet, bekämpft, ein Außenseiter. Was er sagt, ist emotional, aber ehrlich. Künstlerisch konnte ihm nichts Besseres passieren, als soviel Häme zu ernten. Daraus kann er nur schöpfen. Auch er lebt nicht ohne Grund in Paris und betrachtet Österreich aus kritischer Distanz mit Haßliebe."
Bald in Peking.
Daß die Distanz des Gottfried Helnwein zur Heimat nicht übergroß wird, ist auch dem Wiener Kunstforum gutzuschreiben: Dort zeigt man 2001 eine Helnwein-Retrospektive. Und damit der Horizont nicht enger, sondern weiter wird, stellt er demnächst im Pekinger Kunstmuseum aus, und das als erster europäischer Künstler. Das Emigrantendasein kann auch etwas sehr Befreiendes sein.
(Dominikanerkirche Krems: 13.6 bis 31.8 1999)
1999 News Alexandra Stroh