Texte und Essays
Basta,Vienna – 30. November -1
"Krone"-Chef Hans Dichand über Helnwein
HANS DICHAND ÜBER HELNWEIN
Ich schätze ihn sehr, weil er kein Epigone ist. Auf jeder größeren Kunstmesse finden Sie zahllose Nachahmer. Helnwein aber hat einen neuen, großartigen Stil geprägt.
Die blaue Phase, in der er jetzt malt, berührt mich sehr. Auch das riesige Porträt, das er jetzt von mir gemalt hat, ist in dieser meiner Lieblingsfarbe gehalten. Das Blau ist die bedeutendste Farbe in der Kunst. Die Farbe der Sehnsucht, der Kälte, des Alls und der Unendlichkeit. Der Himmel wirkt auf uns blau, und das Wasser: Ich gehe mit Hans Hass und Irenäus Eibl-Eibesfeldt zum Tauchen, um diese Farbe und die Zugehörigkeit des Menschen zur Unendlichkeit zu spüren. Die Mutter Gottes wird mit einem blauen Mantel dargestellt: Er kennzeichnet sie als Beherrscherin des Alls.
Meine Bekanntschaft mit Helnwein datiert vor 20 Jahren, von einer Ausstellung im Pressehaus. Damals hatte er die Phase mit den entstellten Kindern, und wir haben die Bilder bald wieder abgehängt, weil die Arbeiter dagegen waren. - Immerhin war die Ausstellung für sie bestimmt, also war es ihre Entscheidung.
Später wurde er ein exquisiter Illustrator in der "Kronen Zeitung". Meine Lieblingsarbeit war ein Blatt zum Schulanfang: Ein Kind, das über der ersten Aufgabe sitzt und mit einem höchst zuwideren Gesicht am Bleistift nagt. Ich habe das Bild erworben, ebenso wie den James Dean, der großartig zeigt, dass man nirgendwo einsamer sein kann als in einer Großstadt.
Helnweins neue, ruhige Bilder liebe ich mehr als die frühen, aggressiven. Die habe ich nicht sehr gemocht, so gut ich sie auch verstanden habe: Es ging ihm wohl darum, zu zeigen, welche Qual das leben für Kinder sein kann. Meine Eltern haben einander sehr geliebt und alles für mich getan, obwohl wir sehr arme Leute waren. Aber sie haben ohne Ende gestritten, und am schlimmsten war es zu den Feiertagen. Und so bat einmal meine Mutter vor den Weihnachtstagen die Nachbarn, mich am Heiligen Abend aufzunehmen. Ich sollte an diesem Tag nicht Zeuge ihrer Zerwürfnisse sein. Das Ergebnis war allerdings ein gegenteiliges: Es war einer der traurigsten Tage meines Lebens. Er hängt mir bis heute nach. Mehr als der ganze Krieg.
Interview: Monika Niederle