Texte und Essays
ZYMA, Feuilleton, Kunstmagazin – 31. Mai 1987
one-man show
GOTTFRIED HELNWEIN, DIE NEUEN BILDER
Hinsehen und wiedererkennen. Dieser Reflex steht am Anfang der Auseinandersetzung mit den Arbeiten Gottfried Helnweins und ist zugleich programmatisches Element einer lesbaren Kunst.
Nicht die Formulierung einer elitären, subjektivistischen Botschaft interessiert Helnwein, sondern der Versuch über seine Bilder einen unmittelbaren, spontanen Dialog mit dem Betrachter zu initiieren. Seine klaren Aussagen, die in der Tiefe oftmals Träger einer ironischen, differenzierten Struktur sind, erlauben und fordern eine ehrliche Stellungnahme, emanzipieren den Betrachter zum kompetenten Kritiker.
Eine hintersinnige Intention, die den derart ausgehebelten Berufskritiker aus lauter Not trivial erscheinen muss. Wie substanzlos der Vorwurf der Trivialität ist, dokumentiert die vierte und letzte Station einer Helnwein - Ausstellung, die nach Berlin, Koblenz und Wien, nun im Dürener Leopold-Hösch-Museum zu sehen war.
Helnweins Repertoire ist seit den fotorealistisch gemalten Selbstportraits mit Kopfbandagen und Marterwerkzeugen, die sich ins schutzlose Gesicht bohren, um thematische und instrumentelle Aspekte reicher geworden. Zwar setzt sich das Thema der Verstümmelung, Verletzung, das seine Wurzeln im morbiden, von diffuser Todessehnsucht getränktem Wiener Geist hat, der auch für die Wiener Aktionisten Mühl, Nitsch, Schwarzkogler von Bedeutung war, als Konstante fort, es erfährt jedoch eine differenzierte künstlerische Behandlung und wird zu anderen Themen, wie der Bewältigung des österreichisch-deutschen Faschismus in Beziehung gesetzt.
Neben fotorealistischer Malerei etabliert Helnwein die Fotografie als gleichwärtiges Ausdrucksmedium und provoziert spielerisch eine Irritation um die Frage: gemalt oder nicht gemalt? Der Detailreichtum und objektive Charakter der superrealistische gemalten Portraits setzt sich fort in Farbfotoserien, die gleichermassen kühle Distanz und unmittelbare Betroffenheit suggerieren. Hier kehren die bekannten Attribute wieder: der bandagierte, zum Typus reduzierte Kopf, die Chirurgischen Instrumente, die sich in ein Heer von Folterwerkzeugen verwandeln.
Die Fotos oszillieren zwischen plakativer, leerer Pose und echter Verletztheit.
In der malerischen Variation des Selbstportraits, das nie das Maler-Selbst, sondern den Typus des leidenden Selbst meint, geht Helnwein andere Wege. Der Photorealistische Kopf des Ausgangsbildes reduziert sich zudüsteren, vehement gemalten Silhouetten, die implizierte Ambivalenz zwischen Pose und Betroffenheit löst sich zugunsten einer malerisch beeindruckend formulierten ehrlichen Emotionalität auf.